Titel: »Im Wald, da sind die Schweine!« ( 1. Teil der Im-Wald-Trilogie)

Verlag: Dreamc@cher

Seitenzahl: 264 Seiten (Taschenbuch

Autorin: Tina Krauss

Zielgruppe: Jugend 11-13 Jahre

 

 

 

Besonderheiten: Die Geschichte ist einmal aus der Perspektive des Mädchens, einmal aus der des Jungen geschrieben und wird von einem Reim eingeleitet, der auf den Inhalt hindeutet. Die Kapitel sind kurz und der Leser bekommt den Eindruck einer gespaltenen Persönlichkeit, da man ziemlich schnell hin und her wechselt.

Das Grundthema Alkoholismus/Kindesmissbrauch wird bald durch einen fantastischen und abenteuerlichen Part abgelöst. Es ist durchaus auch ein Buch mit lustigen Elementen und nicht die ganze Zeit „bierernst“. Die Orte im Buch gibt es zum großen Teil tatsächlich(in Saarbrücken-Dudweiler), auch wenn einige etwas anders gelegen sind.

 

Buchinhalt:

Wir schreiben das Jahr 1984:

Der zwölfjährige Lutz wächst mit seinem dreijährigen Bruder, seinem Vater und seiner Mutter in Herrensohr( auch „Kaltnaggisch“ genannt, einem Dorf nahe Saarbrücken auf).

Lutz hat ein Geheimnis und es ist kein gutes: Sein Vater trinkt und verprügelt ihn dann regelmäßig. Um dem zu entgehen, zieht sich der Junge in den Wald zurück und versucht sich „unsichtbar“ zu machen.

Sein Leben ändert sich, als er die Gleichaltrige Nini trifft, die in sein Haus zieht und er sich sofort in sie verliebt

Es gibt da noch den schrulligen Gärtner, Jupp, der mit Kaptain Morgan befreundet ist und ständig von gefährlichen Schweinen faselt: »Passt mit den Schweinen auf!«, warnt er die Kinder bei jeder Gelegenheit.

Als Lutz Vater ihn halb tot schlägt und dann auch noch seinen kleinen Bruder misshandelt hauen die drei Kinder zusammen in den Wald ab.

Dort erleben sie einige spannende Abenteuer mit dem Hüter-Schwein, Eddie und Nini beginnt vom Blumenreich zu träumen, in dem sie die Blumenfreundin ist und magische Fähigkeiten besitzt.

Die Dinge, die Nini im Blumenreich erlebt und zaubert, schwappen praktisch in die Wirklichkeit über. Es gibt eine ganz besondere Blume im Blumenreich, das ist die „Blaue Blume“. Sie ist Nini untertan prophezeit ihr Dinge und berät das Mädchen.

Leider bleiben die Kinder im Wald nicht lange ungestört. Wolfgang, Lutz Vater, kommt ihnen auf die Schliche und es wird gefährlich im verhexten Wald in Herrensohr. 

 

 

 

 Leseprobe: "Im Wald, da sind die Schweine!" (Neuauflage Dreamc@cher), 1.Teil der Im Wald-Trilogie

 

Für Leseratten von 11-13 Jahren

 

 

[1] Nini

Im Wald, da sind die Schweine,

’s gibt große und ’s gibt kleine,

 

Als wir 1984 in das große, alte Haus mit den hohen Decken zogen, war ich schon eine ganze Weile elf. Eigentlich war ich also schon halb zwölf. Ich war eine ganze Menge halb, wenn ich mir´s recht überlegte. Also war ich in dem Sinn eine ganze Menge Halbes und noch nichts Ganzes. Zum Beispiel war ich halb Türkin, halb Deutsche.

Das war die Schuld meines Vaters, der ganz Türke war.

Gut, genaugenom­men war es auch die Schuld meiner Mutter, die ihres Zeichens ganz Deutsche war. Aber das fiel nicht so stark ins Gewicht, da ich die Deutsche Hälfte an mir lieber mochte, weil sie nicht so laut, gefühlvoll und einfach weniger auf­fällig war. Meinen Bruder mochte ich nicht so.

Manchmal dachte ich, das wäre, weil er auch das Vorrecht hatte, ein richti­ger Deutscher zu sein. Er hieß Thomas, war schlaksig, dreizehn und blond wie ein Engel und mein Papa war nicht seiner. Meine Mutter sagte, ich solle nicht traurig sein darüber, dass ich türkisches Blut habe, denn auf so einen Papa, wie Thomas ihn hat oder eigentlich niemals hatte, müsse man nicht neidisch sein. Das Einzige, was er gut könne, sei sich vom Acker machen, wenn es brenzlig würde. So einen könne sie echt nicht mehr gebrauchen, da kriege sie Plaque, meinte sie immer, während sie mir einen Kuss auf die Stirn gab. Ich dachte, meine Mutter wüsste, dass ich dann und wann unter meinem Halb-Sein litt und ab und zu unter meinem Halb-Bruder ganz besonders. »Na, wie geht´s denn unserem kleinen Äffchen heute?«, fragte er oft am Frühstücks­tisch und zog mich an meinen schwarzen Haaren. Nicht so doll zwar, aber fest genug, dass ich mich ärgerte und meine Mutter ihm einen abschätzigen Blick zuwarf, der ihn verstummen ließ. Trotzdem sah er mich dann immer so selt­sam an. Meine Mutter jedenfalls machte außer mir normalerweise keine halb­en Sachen. So hatte sie meinen Vater Kerim geheiratet und war bei dieser Ge­legenheit gleich zum Islam übergetreten, was man daran erkennen konnte, dass sie seitdem tatsächlich ein Kopftuch trug. Ich sagte es bereits, sie machte keine halben Sachen.

Draußen auf dem großen Platz spielten ein paar Kinder. Zwei Mädchen schlugen ein Seil und eines mit langen blonden Zöpfen sprang darüber. Das machte sie gar nicht so übel. Jedenfalls war sie bisher nicht hängengeblieben. Die Fensterscheibe war etwas blind vor Dreck, man konnte darauf schreiben. Mein Finger zogen ein N, I, N, I, V, schließlich ein E. Als meine Mutter mit ei­nem Umzugskarton ins Zimmer schneite, wischte ich schnell mit dem Hand­rücken über die Buchstaben.

»Ach, die muss ich bald mal putzen! Aber nicht heute und so wie es aus­sieht auch nicht morgen«, sagte sie während sie einen Karton auf die alten Holzdielen knallte.

»Würden wir nicht so oft umziehen, hättest du mehr Zeit zum Putzen!«

»Mir ist klar, dass es für dich nicht leicht ist. Aber denk doch mal, hier hat Papa einen guten Job. Und du weißt, seit dieser dummen Geschichte mit dem Führerschein, ist es wichtig, dass er mit dem Bus dorthin kommt!«

»Ja, ja schon klar, es ist ja alles wichtig, nur ich nicht!«

»Ach, Nini!«, sagte sie nur und sie hatte dabei einen so traurigen Klang in der Stimme und fuhr sich so müde über die Stirn, dass mir das Gesagte gleich leid tat. Dennoch drehte ich mich einfach um und hörte nur, wie sie die Tür zuzog.

 

 

 

 

[48] Nini

Ein wunderschöner Tag,

dass jeder baden mag.

Nur in der kühlen Flut,

fühl'n sich nicht alle gut.

 

 

In der Nacht träumte ich wieder von der kleinen, blauen Blume. Auch in meinem Traumland war es düster. Die Blüten waren geschlossen und wiegten sich sanft im Nachtwind hin und her. Die Landschaft in Blau - und

Violetttö­nen lag verlockend vor mir. Ich ließ mich nicht lange bitten und ging durch die hohe, feuchte Wiese, die gierig an meinen nackten Waden leckte. Unbeirrt sah ich zu den zwei Monden, von denen einer in einer blutroten Aura lag. Die Wiese hingegen war seltsam kalt, und die Pflanzen, welche ich freundlich streifte, wirkten gefroren.

     Plötzlich schickte der blutrote Mond sein Licht zur Erde. Er begann zu glimmen wie ein in die Glut gefallenes Geldstück. Ich erschrak, denn statt dass die Pflanzen von seinem Licht genährt wür­den, wurde es immer kälter, und ich fror in dem dünnen Hemd, das mich um­hüllte. Fassungslos sah ich nach oben. Fast befürchtete ich der Blutmond wür­de explodieren. Als sich die kleine, blaue Blume zu meinen Füßen öffnete, er­kannte ich glücklich ihr vertrautes Gesicht. Dann berührte ich sie an ihren Blättern. Frostig schnitt die Kälte so in meine Hand, dass ich zurück zuckte.

»Blumenfreundin hilf uns, denn die Lösung ist nah! Und ich habe Angst.

  Denn wenn des Rätsels Lösung kommt, dann werde ich sterben.« In meinem Traum machte ich ein Geräusch, als verscheuche ich eine junge Katze.

»Sterben, meine Liebe? Denkst du das wirklich? Sterben? Du weißt, das

  er­zählt man nur den kleinen Kindern, um sie zu ängstigen.«

Die Blume ließ den Kopf sinken.

»Alle sagen es und ich habe es geglaubt!«

»Es ist nicht schlimm, denn jeder redet davon, und die meisten halten es    

  für

wahr. Nur, um es einfach einmal klar zu stellen. Sterben ist eine Lüge,

  so wie der Weihnachtsmann oder der Osterhase.«

Die Blume sah mich unsicher an.

»Alles wird gut!«

Ich wandte mich zum zweiten Mond, der anscheinend kurz vor seiner

eisi­gen Explosion stand.

»Himmelskörper an dem Ort, geh´ nicht hin und geh nicht fort! Glutrot ist

  die Nacht in dir, geh nicht hin und bleibe hier! Deine Wärme kehre heim,

  soll in dieser Erde sein.«

Es war, als spucke der Stern warme, regenbogenfarbige Strahlen und so­bald diese den Boden berührten, tauten sie die Umgebung auf. Alles glomm und prickelte wie mit Feenstaub eingepudert.

»Ich sagte, alles wird gut!«

Doch die Blume hob stolz ihren schönen Kopf.

»Jemand kommt, der das Rätsel löst. Ist das Rätsel gelöst, bin ich

   nicht mehr!«

»Ich sagte«, meinte ich scharf, » das ist nicht wahr!

  Du widersprichst dei­ner Herrin?«

»Nein, aber der Tod ist mir prophezeit.«

»Den Tod!«, schrie ich und fühlte mich wachsen. »Den hab´ ich vor langer

  Zeit abgeschafft. Glaub mir!«, fügte ich sanfter hinzu.

 

»Willst du es verspre­chen?«

»Ich verspreche es!«


[2] Lutz

’s gibt dicke und ’s gibt dünne.

Sie gründeln in der Rinne...

 

Da saßen wir nun in der Herbstsonne und alles brummte und summte. Alle wuselten um mich rum, nur ich, ich konnte nicht und ich mochte nicht, denn mir tat auf Deutsch gesagt der Arsch weh. Aber das war ja nix Neues. Neulich hatte die Frau Hantel mich nach der Stunde gefragt: »Sag mal Lutz, wo holst Du dir denn immer diese blauen Flecke?« Da hatte ich gesagt: »Ach Frau Hantel. Das kommt vom Ringen, da geh‘ ich doch immer mit meinem Cousin hin. Das macht Spaß!« Und ich hatte dabei so toll gegrinst wie es nur ging mit meiner geschwollenen Backe.

»Na sieht aber so aus, als ob du noch üben musst«, hatte sie gemeint und mir liebevoll über den Kopf gestreichelt. »Ver­sprochen!« In diesem Moment hätte ich ihr am liebsten alles gesagt. Es tat so gut, wie sie mir die Hand auflegte. Doch, was hätte sie getan? Und was, wenn sie mich dann von Leon trennen würden? Nein, dann ertrag ich das lieber wei­ter. Ich musste auch an Mama denken.

Sehnsüchtig beobachtete ich Leon. Ich war etwas neidisch auf ihn. Wie er immer wieder den roten Eimer mit Sand füllte und auskippte, als ob es nichts um ihn gäbe. Als sei dies sein Sandkastenuniversum und selbst ich käme dort nicht mehr hinein. Niemand täte das, der älter als fünf ist. Es sei denn er stell­te Asyl und Grund genug hätte ich ja. Es war ihm gelungen eine beachtliche Sandburg aufzutürmen.

»Toll gemacht!«, lobte ich ihn, und er strahlte über sein pausbäckiges Kin­dergesicht. Leon bedeutet 'Löwe' und natürlich sind Löwen auch gute Kämp­fer. Mein Bruder machte seinem Namen alle Ehre. Er kämpfte für sein Sandreich und strich mit Eifer die Seitenwände seiner Burg glatt. Ich half ihm da­bei, wie ein großer Bruder hilft, was Leon nicht wusste: Am liebsten wäre ich in seine Sandburg eingezogen, hätte eine Sandprinzessin geheiratet und alles wäre gut. Leider wäre mein Asyl sicherlich abgelehnt worden. Es gab keines für Kinder über fünf, denn dann fängt es an. Oder konnte man sich dann nur daran erinnern. Versonnen spielte ich das Spiel, das ich immer spielte - ich machte mich unsichtbar:

»Ich bin die Strahlen der Sonne - fass mich nicht an!

       Ich bin der Wind den niemand fangen kann. Ich bin das Rascheln der   

       Blätter, hab die Augen zu, flieg durch die Welt und wer dagegen bist du?« Immer wieder sagte ich mir diesen Zauberspruch, ich versuchte mich zu lösen aus meinem Körper und rief: »Bitte lieber Gott, schicke mir jemanden, der   

     mich versteht!« Aber ich war schlecht in meinem Spiel. Niemand beachtete mich, niemand sah mich, außer mein Vater!

     »Aber ich übe weiter Frau Hantel! Versprochen!«

 

 

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