"Gehe nicht in den Wald!", sagen die Alten und um diejenigen, die dort ihr Unwesen treiben, nicht zu erzürnen, nennen sie nicht ihre Namen, sondern machen nur ein Kreuz vor dem Kehlkopf. "Und vor allem: Gehe nicht allein! Denn sie brauchen Kinder, um sie ihrer Gottheit zu opfern!"

 

"Alles Ammenmärchen!", denkt der erst zehnjährige Neish. Er und sein gleichaltriger Freund brechen die Regeln des Stammes und spielen in eben diesem Wald das Spiel "Tatoka", was so viel bedeutet, wie: "Mach das nach, du Schisser!" Und sagen wir einmal so: Unvorhersehbare Dinge geschehen und halten die Kinder auf, bis es dunkel wird.

Nun, soll der junge Neish seinen Ungehorsam sehr bereuen, denn sie sind schon auf dem Weg, ihn zu holen. Und eines sollte man wissen: Wer den Daers in die Hände gerät, der bezahlt einen hohen Preis.

 

Im Kathan-Goo-Kult geht es um Neish, der durch seine eigene Unachtsamkeit von Mensch-Tier-Wesen entführt wird, die der Blutgöttin Seth-Kathengi dienen.

Daraufhin muss er eine Zeit lang in ihrem unterirdischen Reich als Sklave dienen. Allerdings findet die Hohepriesterin, Imri, Gefallen an seinem Blut, da es magisch ist und sie lehrt ihn eine hohe Kunst, genannt Doljeste. Aufgebaut ist das Buch in eine Hauptgeschichte, unterbrochen von einer Legende, die die Entstehung des Kultes erklärt. Ausnahmsweise Fantasy, ab 15 Jahren- nicht ganz ohne!!!  Bei Amazon 9,62 Euro, Kindle Unlimeted 0Euro, EBook 2.99Euro, Hurra!!! Nun auch im Buchhandel bestellbar und über Bookmundo als Taschenbuchversion, (ISBN:9789403681917) 

 

 

 

Der Kathan-Goo-Kult

Dies ist ein Jugendroman ab 15 Jahren. In ihm geht es um den jungen Neish, der weil er die Stammesregeln bricht in ein unterirdisches Reich, genannt Kathangoo entführt wird.

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Leseprobe: Kathan-Goo-Kult  ( Erster Teil)

 

»Spiele zu spielen ist ein wichtiges Ding, es macht uns schlau, unterhält uns und wir lernen unbewusst mit dem prickelnden Gefühl von Macht umzugehen. Manche jedoch spielen lieber als andere und sie entwickeln eine Gier nach dem Thrill und dabei gehen sie oft ein wenig zu weit.«

Eigentlich war es verboten am Rande des stinkenden Flusses zu sein. Eigentlich sollten wir nach Hause gehen.

Die alte Hara hatte es hundertmal gesagt: »Neish, gehe nicht zum stinkenden Fluss! Vor allem du nicht! Ich habe deiner Mutter auf dem Sterbebett versprochen, dass ich nicht zulassen werde, dass sie dich kriegen.« Sie sah zur

Tür, draußen heulten die Hunde. Hara machte dieses Zeichen vor ihrem Hals. Ich wendete mich ab.

»Viele Kinder sah ich verschwinden«, murmelte die Alte mehr zu sich selbst, »Sila und Odo und viele andere.«

Ihre grauen Augen glänzten glasig und sie sah mich mit einem irren Blick an. »Ich spüre sie, Neish, spüre ihre  

  Seelen und soll ich dir sagen, was das Schlimmste ist?«

»Sag es!«

»Sie sind nicht tot!« Sie spuckte ins Feuer und gespenstige Schatten zuckten an der Wand der Hütte.

Doch heute war ich hier an der Schlucht. Mein Freund

Are war mit mir und wir spielten das Spiel. Ja, es war nicht irgendeines, es war das Spiel und es enthielt die ultimative Herausforderung, der man sich als Zehnjähriger stellen konnte - die Herausforderung des Lebens selbst.

»Ich bin schon drüben!«, schrie mein dunkelhaariger Freund. Er war nur um weniges älter als ich und dann fügte er etwas hinzu, was meinen jungen Körper kribbeln ließ: »Tatoka!« Eigentlich hatte dieses Wort gar keine Bedeutung, aber für uns Kinder hieß es: »Mach das nach, du  

  Schisser!« Und selbstverständlich würde ich dieser Aufforderung nachkommen.

Are war über einen Baumstamm balanciert, den einer der Urwaldstürme entwurzelt hatte, vielleicht war er von selbst umgefallen, weil auch die alten Bäume kraftlos werden, wie die alten Leute es tun.

Auf meiner Seite lag die Krone und die Blätter waren bereits abgefallen. Dort, wo der Abgrund begann, war der Stamm ausgebleicht und dünn. Er wurde schnell wieder dicker und der imposante Wurzelballen lag da, wo Are winkte. Ich hängte die Schüre meines Beutels über die Schulter und machte mich daran einen festen Tritt zu suchen.

Ich setzte meinen rechten Fuß mit der dünnen Sohle eines der Schuhe, die wir selbst herstellten, auf die glatte Rinde.

Ich atmete tief ein und nahm einen leichten Geruch von Verwesung wahr, was in einem Wald, in dem alles irgendwann in seinem Humus endet, nichts Ungewöhnliches schien.

»Mach schon, Neish! Tatoka!«

Er hatte es wieder gesagt. Das erhöhte den Druck und dann hatte ich den Fuß auf dem Stamm und ging los.

Irgendetwas Seltsames war da hinter mir. Doch ich konnte mich in meiner Position nicht umdrehen.

Ich manövrierte mich selbst um einen abstehenden Zweig, dann kam die Tiefe.

»Nicht nach unten gucken, Neish! Bloß nicht nach unten gucken – sonst schaffst du es nicht!«

Meine Knie wurden weich, mein Fuß zitterte und ich überlegte zurück zu gehen, was wohl die größte Schande wäre.

Are feixte auf der anderen Seite. Fünfzehn Meter waren es bis dorthin. Fünfzehn Meter sind nicht viel, aber für mich waren gerade im Moment diese fünfzehn Meter die Welt.

Und dann war da noch etwas. Ich hatte so ein komisches Gefühl, es machte mir Gänsehaut. Vielleicht war es auch ein Geräusch. Ich lauschte, aber ich konnte mich nicht konzentrieren. Unter mir war der Fluss und er rauschte und schäumte. Aber er war weit unten und ich konnte ihn kaum im Nebel den die kleinen, grauen Wasserfälle verursachten, erkennen.

Ich war schon weiter gekommen und nun bald in der Mitte des Stammes. Alles verschwamm vor meinen Augen.

Und wieder dieses unangenehme Kribbeln, als sei ein Raubtier in der Nähe. Oder war es ein Wispern?

Das konnte nicht sein! Jemand oder etwas flüsterte einen Zauberspruch.

»Mensch, Neish!«, schrie Are. »Du Memme! Sehnst du dich  

  etwa nach dem Schoß deiner alten Hara?«

Nein, das tat ich nicht!

»Es ist doch nicht schwer!«

Doch, es war sauschwer. Verdammte Höhenangst!

Dann hatte ich es doch getan. Ich setzte nicht einen Fuß vor den anderen, ich zog den linken nach und dann spürte ich den Stamm vibrieren. Er zitterte wie ein pulsierender Bienenstock. Das Wispern in meinem Ohr, die Augen von etwas Unaussprechlichem und ich hörte jemand lachen.

»Du dummer Junge!«, hörte ich Haras.

»Geh nicht zu tief in den Wald, gerade du nicht!« Sie legte meine Hand auf ihr Bein und strich mit ihren Fingern darüber.

»Hüte dich, mein Kleiner! Denn das Böse streckt seine Klauen nach dir aus. Ich habe damals schon deine Mutter gewarnt. Leider hat sie nicht gehört!«

Hara schloss die Augen.

»Wo ist meine Mama? Ist sie in Mangoon, bei den guten

  Göttern?«

 

»Ich hoffe so!«

 

 

Erste Legende

 

In den Tagen, als das Chaos die Erde gebar, wie eine Wölfin ihren Welpen, da teilte sich Licht von Schatten.

Es gab Wesen, die älter waren, als das Chaos selbst und sie existierten ohne Zeit und Raum, die nannte man Götter.

Sie kannten damals keine Emotionen und hatten keine Körper, wie wir es kennen.

Doch diese  jungen Götter beobachteten gern und als  sie dem Chaos nicht mehr zusehen konnten, weil es sich klärte, da traten einige auf die Seite des Lichtes, andere aber – die wilderen und wüsteren – verweilten lieber im Schatten. Zu ihnen gehörte Tarturo, denn er war der Gott der Qual.

Eine, die ins Licht trat, war die Sonnengöttin Lia, sie strahlte hell.

Obwohl die Götter so unterschiedlich waren, hatten sie eine  Sache gemeinsam, sie langweilten sich schnell und um sich zu unterhalten  schufen sie empfindliche  Wesen, schwach in Gemüt und Körper – das waren die Menschen. Sie nannten sie Ook-Ahn. Mit ihrer Geburt begann ein Wettstreit.

Während Lia  und ihre  Verbündeten die Aufgabe hatten, die Menschen auf einen hellen Pfad zu führen, oblag es Tarturo und Seinesgleichen  das Gute in ihnen zu vernichten und wenn es nicht anders gehen sollte, so viele  wie möglich auf den Pfad des Todes zu schicken.

Eine jedoch, Eradi, entschied sich nicht für hell oder dunkel. So wandelte sie bis heute zwischen den Welten und sorgt  für den Ausgleich und die Gerechtigkeit. Aus ihr wurde die Erdmutter.

                             

 

 Das Wispern hatte aufgehört, ich hörte nur die Nachtgeräusche und das Gurgeln des Flusses auf der anderen Seite erahnte ich blitzende Augen, die sich öffneten als seien es Poren in der Haut der Dunkelheit.

Die Nacht war kalt und ich fror auf dem Stamm, mein ganzer Körper war ein einziger Schmerz.

 Sollte ich es versuchen? Was hätte Mutter gesagt, wenn sie noch da wäre, was Hara?

Nur mühsam gehorchten mir meine Gliedmaßen und ich kroch langsam und tastend über die Rinde.

Von unten waberten Nebel von oben schien der volle Mond und am andern Ufer leuchteten Fackeln.

 Das musste Sadoch, der Stammesführer, sein. Vielleicht würde er ein Auge zudrücken über meinen Ungehorsam – sicherlich sogar. Immerhin war ich der Sohn seines besten Freundes und auch wenn der jetzt in Mangoon, der Ewigkeit, war, gab es da immer noch ein Band zwischen beiden Männern. Vielleicht hatten sie sich einmal versprochen, auf die Familie des anderen zu achten, wenn einer von ihnen nicht wiederkäme. Vermutlich hatten sie einen Pakt und ein Pakt musste nicht unbedingt mit dem Mann sterben, der ihn abgeschlossen hatte. In Sadochs Gesicht las ich immer Bedauern, jedes verdammte Mal, wenn er mich ansah.

 Ich war schon ziemlich weit gekrochen und es trennten mich nur noch einige Meter vom anderen Ufer, da verschwanden die Lichter wieder. Mit ihnen starben auch die Tierstimmen und ich hatte plötzlich eine Gänsehaut im Nacken.

»Sieh nur Mama, sieh! Ich kann es doch!«

Ich hatte keine Wahl, obwohl ich nicht wusste, was mich auf der anderen Seite erwartete, sprang ich und hatte endlich wieder festen Boden unter den Füßen.

 Ich sank auf die Knie und hätte heulen können. Ungläubig betastete ich das feuchte Gras und atmete aus. Doch die Haare in meinem Nacken waren noch aufgerichtet und wenn ich eines aus den vielen Gruselgeschichten, die die Alten am Feuer zum Besten gaben, gelernt hatte, dann, dass ich mich beeilen sollte.

»Nehmt euch in Acht! Geht nicht zu tief in den Wald!«, ein Raunen erfasste die Jungen und die Kleinen zuckten zusammen. »Vor allem… geht nicht allein, denn die…«, sie machte das Kreuz vor der Kehle, »sind da draußen und sie

  brauchen junges Blut.«

Der volle Mond lächelte mild und schickte gnädig ein paar Strahlen.

»Ich muss hier weg!«, dachte ich bei mir. »Wo bleibt

  Sadoch?«

Eine Wolke trat vor den Mond und es wurde kalt. Mein Nacken kribbelte, mein Puls blubberte in meinem Ohr und ich wusste, die Angst war zurück.

Obwohl meine Knie sehr weich waren, rappelte ich mich auf und taumelte in die Richtung, wo ich den Weg vermutete. Nur, dass da keiner war.

»Sadoch?«, rief ich erst leise, dann lauter, »Sadoch, bitte

  ich tue es nie wieder! Versprochen!«

Plötzlich Fackellicht. Da schienen sie zu sein.

Willenlos und zu Tode erschöpft folgte ich den Flammen auf dem engen Pfad.

»Sadoch? Are?«, ich heulte mittlerweile und wusste nicht mehr, wie weit ich gegangen war. Irgendwie hatte ich auch den zweiten Schuh verloren. Ich merkte es nur daran, dass ich unter meinen Füßen, den feuchten Matsch des Urwalds fühlte. Ich roch den Zerfall. Ich heulte immer mehr und begann seltsame Schatten zu sehen. Die rechts und links meinen Weg begleiteten.

Da war das Licht verschwunden und ich fiel auf die Knie.

»Was hatte ich getan? Sadoch, warum bestrafst du mich so

  sehr? Es ist nur ein Streich gewesen, nichts Großes.«

Die Stimme meiner Mutter kam mir in den Sinn: »Um richtig

  gut zu sein, musst du deinen Atem beruhigen!«

»Ich bin ruhig, Mama!«

»Das reicht nicht! Spann die Sehne – so. Atme ein – atme

  aus! Augen zu – auf- und Schuss!«

Ich fasste ihren Vodoo-Anhänger an, den Talisman mit Federn und dem kleinen Säckchen. Ich senkte den Kopf:

»Oh Sonnengöttin, Lia, wenn du mich hörst, zieh mich auf

  die Seite des Lichtes! Rette mich!«

Da vorne waren die Lichter wieder, sie flackerten auf und ab. Noch einmal wollte ich es versuchen und rappelte mich auf. Ich wankte in die Richtung, in der ich sie sah. Mittlerweile wusste ich nicht mehr, ob sie mich überhaupt auf die richtige Spur führen würden. Allerdings fiel mir nichts Besseres ein und so ging ich weiter.

 Die Flammen erloschen und wurden auf der linken Seite neu geboren. Es ging schnell, wie in einem Atemzug und ich wunderte mich, was das für ein Trugbild war. Als ich mich zu den Fackeln drehte, knallte ich mit etwas zusammen und eine Kugel rollte mir vor die Füße. Ich konnte sie nicht richtig sehen, aber es roch irgendwie widerlich.

Aus einem Impuls heraus hob ich die Kugel auf. Ich tastete, sie war nicht ganz rund und an manchen Stellen hart, an anderen seltsam schmierig. Ich konnte nichts erkennen.

Da fiel ein Mondstrahl auf meine Position und ich erschrak bis ins Mark. Es war ein Schädel.

Noch bevor diese Information mein Gehirn erreichte, bewegten sich meine Füße. Die Erschöpfung war verschwunden. Adrenalin pulsierte in mir, es überschwemmte mich und kam mir zu den Ohren raus.

»Scheiße!« Ich hastete durch Dornen und schlitterte durch den Matsch, ich strauchelte ein paar Mal und kullerte eine Anhöhe hinunter. Als ich mich verwirrt umsah, fand ich mich auf einem recht breiten, belaubten Weg. Vor mir erhob sich ein altes Steintor mit vielen erschreckenden Abbildungen in seinem Gemäuer. Hier konnte man alles ganz gut erkennen, denn der Urwald war zurück gedrängt worden.

Von Menschenhand?

Ich hatte das deutliche Gefühl, dass mich jemand beobachtete, es schnürte mir die Kehle ab.

Hinter mir näherten sich Schatten und ich kam auf die Füße und begann abermals zu laufen.

»Es gibt einen uralten Tempel mitten im verbotenen Wald, niemand weiß, wo er liegt. Dort hausen die…, es sind keine Menschen mehr. Sie dienen einer bösen Gottheit und ihr opfern sie Kinder, unvorsichtige Kinder.«

Hara machte das Kreuz vor der Kehle.

»Ist der Wald deshalb verboten, Hara?«

»Ich denke, wenn viele schlimme Dinge auf einem Stück Land geschehen, dann nimmt dieser Platz das Grauen in sich auf und manchmal ist das für manche Leute sehr anziehend. Denn dieses Grauen bereitet uns ein Kribbeln und eine Gänsehaut. Aber hüte dich, es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die wir nicht verstehen! Wer den Kathangoo-Tempel entdeckt und in ihren Kreis einkehrt, für den ist der Tod noch das Harmloseste. Er bezahlt in jedem Fall einen hohen Preis.«

Hinter mir näherten sich Gestalten, sie waren groß, aber ich glaubte nicht mehr daran, dass es Sadoch wäre.

Nur zu gerne hätte ich mich ihm vor die Füße geworfen und um Gnade gebeten für einen Jungen ohne Eltern. Aber diese Option hatte ich nun leider verwirkt. Diesmal hätte ich gehorcht und das war nicht nur so ein Spruch.

Ich und einige andere Kinder des Dorfes schlugen oft alle Warnungen in den Wind, nun sah ich, wohin das führte.

 Die Gestalten bewegten sich geschmeidig und in der Formation jagender Raubtiere. Also ging ich durch das Tor.

Ich schlich über den runden Platz, in den es mündete. Er war von einer böckelnden Mauer eingegrenzt und links stand ein niedriges, zerfallenes Gebäude. Rechts jedoch stiegen Treppen zu einem imposanten Bauwerk auf, das reich verziert und von Steinskulpturen bewacht war.

Geradeaus im Norden ragten hohe, dunkle Urwaldbäume in den Nachthimmel und es gab scheinbar einen Ausgang. Vielleicht könnte ich es schaffen, dorthin zu gelangen.

»Wenn du das willst, kannst du alles schaffen, dein Vater

  war ein großer Krieger!«

»Und du Mama, was bist du?«

»Nun erstens bin ich deine Mama und zweitens bin ich ein bisschen anders.« Sie hatte gelacht.

Ich hatte das Gefühl, ich könnte ihr Lachen immer noch hören oder lachte jemand anders.

Ich war mitten auf den Platz gerannt. Das Rondell wurde von vielen Säulen, vielleicht sieben oder acht, eingegrenzt. Sie waren mit Schriftzeichen versehen. Zwischen zweien musste ich durchlaufen, um in den Wald zu gelangen.

Vor dem rechten Steinpfahl lag ein Körper auf dem Boden, unter ihm waren dunkle Stellen im Sand Als der Vollmond hell schien, erkannte ich das Unfassbare. Es war Are, er lag auf dem Bauch, um ihn herum war Blut – viel Blut. Ich starrte ihn an und war bald bei ihm. Ich streckte die Hand aus, schaffte es aber nicht, ihn zu berühren. Tränen liefen über meine Brust. Das war nicht wahr, durfte nicht wahr sein.

Hinter mir kamen die Verfolger näher und ich erkannte sie nun deutlicher. Es waren zwei Männer und eine Frau. Alle in einer seltsamen Kluft aus Tierfellen und Leder. Einer der Männer war sehr groß, der andere kleiner und stämmiger. Ihre Gesichter waren schwarz und weiß bemalt.

 Ich warf einen letzten Blick auf meinen toten Freund und wollte flüchten, da knallte ich mit Wucht gegen etwas Hartes: »Guten Abend!«, sagte der Mann, gegen dessen Lederkluft ich geprallt war, mit einer düsteren Stimme.

Er lachte. Ich erkannte sein Gesicht, es war schmutzig und an der Kinnpartie sehr haarig, aber nicht schwarz-weiß wie das der anderen.

Um seine Schulter lag ein dichtes Wolfsfell und seine Haare waren wild und hellbraun. Er schlug mich mit einem Ding. Ich glaubte, es sei der Griff seiner Machete. Ich fiel auf den Rücken und sah in die toten Augen meines Freundes.

Die anderen waren nah, denn ich hörte sie glucksen.

         

                

 

»Das war keine gute Idee im Dunkeln herzukommen. Hat dir  

  niemand von uns erzählt?« Er kniete sich über mich und fasste meinen Hals. Ich schüttelte den Kopf.

»Du sollst mich nicht anlügen!«, brüllte er. Wieder Lachen.

»Wir sind die Daers und ich stelle dir nun eine Frage. Du wirst eine langfristige Entscheidung treffen, verstehst du?« Ich wusste nicht, ob ich verneinen oder nicken sollte

und tat beides.

Er drehte mich auf den Bauch und hielt mir scharfes Metall an die Kehle. Er stank nach wildem Tier.

»Hör mir gut zu! Ich bin Ego und jeder hier bezahlt einen

  hohen Preis, den lege ich fest.« Das Rauschen des Flusses war in meinen Ohren, ich konnte ihn fast nicht verstehen, denn das Wispern war auch wieder da.

»Es gibt zwei Möglichkeiten, Junge«, zischte er, »entweder du entscheidest dich dafür, zu uns zu gehören, das heißt uns im verborgenen Reich unserer Göttin Seth-Kathengi als Sklave zu dienen oder ich beende dein Leben hier und ich mache es kurz.«

Ich verstand nicht, was er wollte.

»Dein Freund da«, er hob meinen Kopf und ich sah Are, »hat

  seine Entscheidung schon gefällt.«

Wieder Wispern, Zittern, Blutgeruch. Ich spürte das Messer.

»Ich stelle die Frage nur einmal«, er sagte es übertrieben laut, so als spräche er nicht zu mir, sondern zu den verfallenen Mauern selbst. Alles an ihm war bereit, der übermenschliche Tier-Mann würde beide Varianten akzeptieren. Dies war ein Wendepunkt im Lauf des Schicksals – meines Schicksals.

»Willst du leben?«

Ich hörte mich selber sagen: »Ja.«

Das war das Letzte, was ich in diesem Leben sagte.

Es ging etwas umher und ein Geheul war zu hören, Fackeln entzündeten sich wie von Geisterhand auf den Säulen.

 Er drehte mich herum und obwohl ich versuchte, mich aus Leibeskräften zu wehren, hielt er mir mit einer Hand den Mund auf und mit seinem Messer drang er in ihn ein, der Schmerz war unbeschreiblich.

»Dein Preis soll deine Stimme sein!«

Meine Augen waren geweitet. Ich sah den Löwenmann, wie er meine Zunge ins Mondlicht hielt und er trillerte, wie man es von Indianern kennt. Dann wurde alles schwarz.

 

 

 »Du bist nur ein Sklave und ich Miu-Miu. Das darfst du nicht. Aber du bist totgeweiht und ich denke, da kann man das durchgehen lassen.«

Sie legte ihren Kopf mit den weichen Ohren und den Locken in meinen Schoß und ich kraulte sie und döste ein wenig.

Erst als sie weg war, wurde mir bewusst: Ich hatte ein großes Problem und ein mächtige Versprechen, saß mir im Nacken.

Ich schlief eine Nacht darüber und ich träumte von der Priesterin und von Tarturos Vulkan. Imri war bei Tur und ich schlich mich von hinten an. Sie standen am Rande einer Grotte und es war furchtbar heiß. Das Gesicht der Priesterin war schweißnass. Sie wusste, dass ich da war und ich wusste, dass sie es wusste. So gewandt konnte niemand sein, sich an ihr vorbei zu schleichen. Denn hier waren Mächte am Werk, die konnte sich jemand wie ich nicht mal vorstellen. Sie machte Tur einen Schnitt ans Handgelenk, ich merkte, dass er sie anstarrte, wie die Motte das Licht. Sie drehte sich herum und ihrer schwarzen Augen zogen mich zu sich hin. Meine Knie waren weich, sie zitterten wie Espenlaub und dennoch taumelte ich wie an Fäden gezogen zu ihr. Es war ein Traum und deshalb hatte ich meine Stimme noch.

»Was willst du hier, Broof, Sohn der Schamanin?«

»Ich bitte dich um das Leben dieses Dreckskerls! Nimm mich an seiner statt!«

»Willst du dein Leben schon beenden? Ich sehe Liebe in deinem Herz – oder wie auch immer ihr es nennt!«

Sie berührte mein Kinn mit ihrem Finger und die Flammen erloschen. Ich wurde sehr ruhig.

»Wie sollte ich dich nehmen? Das steht nicht im großen Buch Tangrit und du bist noch zu jung, zu winzig. Ich muss es dir aber lassen, du hast ganz schön Schneid!«

»Ich habe es versprochen - meiner Freundin!« Ich stand zwischen Tur und ihr, er drehte sich herum, aber er sah mich nicht. Er stand unter Imris Bann.

»Nimm mich! Ich bitte dich! Ich weiß, dass du es auch willst!«

»Du weißt gar nichts Junge! Ich kann dir unendliche Schmerzen bereiten oder unendliche Lust und dich bei beidem töten.«

»Ich weiß. Nimm mich!«

Ich hielt ihr das Handgelenk mit der Narbe hin. Sie unterbrach die Verbindung zu Tur.

»Verpiss dich!«, sagte sie zu ihm.

Dann öffnete sie meine Narbe mit ihrem Geierring und begann zu trinken. Sofort liefen mir Wellen der Verzückung durch den Körper.

»Ich will dir etwas verraten. Denn du hast mich  

  überrascht.« Sie machte eine Pause und ich hielt ihr sofort das blutende Handgelenk wieder hin. Das Blut tropfte auf den Felsen und verdampfte.

»Bisher haben die Ook-Ahn mich immer gelangweilt, mit ihrem Jammern: Lass mich leben, ich bin nicht schlecht! Bla, bla! Bitte, bitte! Doch du bittest mich um deinen Tod für die Rettung dieses Arschlochs, das dich gequält hat und leiden ließ, obgleich du ihm niemals etwas getan hattest. Das ist schon bemerkenswert!«

»Beende es!«

»Aber dann ist das Spiel aus. Und ich spiele doch so gern!«

Sie gab mir noch einmal, was ich wollte und trank noch etwas. Diesmal drang sie in meine Gedanken ein:

»Es ist Ego, der die Preise festlegt, aber ich behalte sie, ich verwahre sie für die Ewigkeit. Denn die Ja-Oder-Nein-Frage ist eine ewige Frage.« Als sie aufhörte zu trinken hatte sie ein Glas in der Hand. Sie hielt es hoch über den Eingang der Grotte, in dem unten die Flammen des Vulkanes züngelten.

In dem Glas war eine Zunge - meine.

»Das kannst du nie wieder haben! Doch ich schenke dir etwas viel Besseres. Du wirst sehen! Denn du hast das Zeug dazu.« Ich war schwach und fiel um.

»Du hättest Betteln und kriechen können, du hättest dich nicht schämen müssen. Meine matten Augen haben alles schon gesehen. Aber Liebe – interessant! So sei es!«

Sie warf das Glas sehr hoch über die Flammen und zu  meinem Entsetzen sprang der benommene Tur hinterher wie ein Hündchen dem Knochen. 

Ich schrie: »Nnnneieiein!«

»Wieso nein, mein Junge? Du hast doch ja gesagt!«

Sie lachte und lachte. Ich hatte ihr helles Lachen noch im Ohr, als ich aufwachte. Auf meiner verschwitzten Brust fühlte ich den Talisman meiner Mutter. Ich hatte das Gefühl, er wäre warm unter meiner Hand.

Shi-Zu kam angelaufen und rieb seinen kleinen, blauen Kopf an mir, Sheila schaute nur von fern zu und der kleine Armin lag immer noch auf der Seite und schlief. Meine Haare waren zu lang, sie standen nach allen Seiten. Deshalb hatte ich mir einen Lappen zu einem Stirnband geschnitten und das legte ich jetzt an. Ich stolperte ein paar Mal über allzu freche Katzenkinder, die nun zu spielen begannen. Elle kam gähnte und streckte sich. Manchmal sah sie mich so komisch von der Seite an. Sie hatte zwei Kringel dabei, die waren sicher von Rani. Als die Katzen ihr Frühstück hatten, setzten wir uns auf einen Felsen und schauten ihnen beim Spielen zu. Elle hatte für uns zwei Tassen Milch abgezweigt und reichte mir eine. Ich schlürfte ein wenig daran und tunkte meinen Kringel hinein.

»Was ist mit dir, Junge? Du bist heute Morgen so unruhig.«

Sie war nicht schlecht, gar nicht schlecht. Ich schielte ein wenig zu ihr herüber und ich fand, sie war trotz ihres fortgeschrittenen Alters recht hübsch. Sie hatte Schnurrbarthaare wie Nichi und sie hatte einen Schwanz, den sie nun beim Sitzen vorsichtig um sich drapierte. Alles in allem war sie silbrig-grau, was ihr etwas Weises verlieh.

»Hat es was mit Nichis Besuch zu tun?«

Ich nickte zögernd. Sie kannte Nichis Namen.

»Ich weiß, du kannst es mir nicht sagen, aber es hätte mich schon interessiert, was da passiert ist in Egos Haus. Normalerweise ist der, der den Preis verlangt, verantwortlich für die Broof und vor allem frage ich mich, was du getan hast, dass er dich so zugerichtet hat.«

Ich zuckte die Achseln. Irgendwie schämte ich mich. Ich musste ja immer noch furchtbar aussehen.

Die Katzenkinder rauften zu doll und Elle miaute scharf. Sie lächelte: »Sind süße Bengel, aber ungezogen!« Ich lächelte.

»Am Anfang sind sie eher wie Katzen, je älter sie werden,

  umso menschlicher werden sie«, erklärte Elle.

Ich zeigte in die Richtung, in der der Tempel lag. Ich klopfte mir auf die Brust und zeigte wieder dorthin. Elle spuckte beinahe die Milch aus.

»Bleib lieber da weg! Imri hat sehr starke Magie und bald ist Lak-Shedal, da drehen hier alle total durch. Das ist gefährlich, Kleiner.«

Wie sollte ich ihr das ohne Stimme verständlich machen? Ich konzentrierte mich auf den Wunsch in den Palast zu gehen und versuchte ihn in meinem Kopf zu formulieren.

»Bitte lass mich gehen, Elle! Ich muss bei der Priesterin für jemanden bitten. Ich habe es versprochen.«

Ich konzentrierte mich und da hatte ich das Gefühl, dass Elle mich verstand. »Was hast du getan?«, fragte sie, um gleich darauf klein beizugeben: »Okay, wenn es dir so

  wichtig ist, dann geh! Aber sei vor Abend zurück und pass um Seth-Kathengis Willen auf dich auf!«

Ich machte mich auf den Weg, obwohl es mir flau im Magen wurde. Ich hatte ganz schön Schiss. In meinem Traum war ich mutig gewesen. Doch nun sah das anders aus. Und was bitteschön hatte ich getan? Hatte ich ohne Worte mit Elle kommuniziert?

Auf dem Weg musste ich mich durch das Gewühl der Händler und Käufer schlängeln und im Augenwinkel sah ich wie der Junge mit dem Haken sich abmühte einen Eimer mit Fisch auf den Tisch zu stellen. Ich ging zu ihm und nahm ihm ungefragt den Eimer ab. Erst jetzt sah ich, dass er doch schon etwas älter als ich war. »Danke! Ich bin Riff und du?«

Ich führte beide Zeigefinger an die Lippe und nach außen.

»Bist du stumm?« Er nahm meine Hand in seine und betrachtete sie. Er begutachtete die Striemen.

»Sieht aus, als hätten sie dich durch den Dornwald gehetzt.«

Nun drehte er  meine Handfläche nach oben und er sah die frische Narbe vom Geierring. »Alter!«

Ich wollte weg, das wurde mir langsam unangenehm. Aber er hielt mich an Turs Hemd.

»Wenn was ist, frag nach Riff, ich lebe bei Diu, dem Händler.«

Ich machte mich los.

Als ich die Hitze des Palastes fühlte, beschleunigte ich meinen Schritt. Doch am Tor angekommen, kreuzten die Wachen mit den Hörnern ihre Speere.

»Was willst du, Dreikäsehoch?«, schnaubte der Linke.

Ich zeigte, durchs Tor.

 »Das kannst du knicken, dreckiger Sklave! Geh nach Hause,   

   bevor ich ungemütlich werde!«

Nach Hause gehen? Können vor Lachen!

 

 

 Die kleinen Drachen matschten mit loser schwarzer Erde bei den heißen Quellen.

Wie sollte Zuzu das bloß anstellen?

Der Wind trieb dunkle Wolken am Horizont entlang und Zuzu wusste, dass diese voller Wasser steckten. Da sah sie nach den kleinen Drachen und den Wolken und sie hatte eine Idee.

»Kommt!«, rief sie die  Drachenkinder.

»Lasst uns ein tolles Spiel spielen!«

»Wie heißt denn das Spiel?«, fragte Corry.

»Das Spiel heißt: Erde in den Vulkan schütten,

  bevor der Regen kommt!«

»Uuuuuiiiuuuiii!«, staunte Hardener.

»Wenn wir es schaffen, bevor der Regen beginnt 

  haben wir gewonnen.«

»Auja, auja ich wollte schon immer mal

  gewinnen!«, freute sich Yani.

Und sie spannten eine Tierhaut mittlerweile zog der Abend herauf und der Wind roch schon nach Regen: »Beeilt euch, sonst gewinnen wir nicht«, spornte Zuzu die Kleinen an.

Sie scharrte mit ihren enormen Flügeln so viel schwarze Vulkanasche auf die Haut wie sie konnte und alle fassten  ihren Rand. Damit flogen sie schwerbeladen zum Krater.

»Wieso muss ich denn so schwer arbeiten, wo ich

   doch noch so klein bin?«, keuchte Hardener.

»Nun, weil alle, die gewinnen wollen, schwer

  arbeiten müssen«, erklärte Zuzu.

Sie mussten dreimal fliegen. Aber, weil alle Drachen sehr stark sind, schütteten sie sehr viel

Erde in den Äther und der bekam einen Schluckauf.

Da setzte auch schon der Regen ein und der war heftig.

 

»Nun, wie ich das mit dem viermal lang einmal

  kurz hinkriegen soll, weiß ich nicht«, dachte Zuzu, »aber verstopft ist verstopft!«

»Haben wir jetzt gewonnen? Haben wir, haben

  wir?«, wollten die Drachen wissen.

»Ja, ihr habt und ihr wart die aller, aller

  Besten!«

»Habt ihr gehört? Wir sind die Bestesten! Wir

  sind die Bestesten!«, sang Corry.

Die Drachen sprangen im Regen durch die Pfützen.

»Ruhe! Ich will schlafen!«, schimpfte Tarturo.

»Hört mal, wenn der später aufwacht, dann seid

  ihr lieber woanders«, erklärte  die Fledermaus.

»Wo ist denn woanders?«, wollte Hardener wissen.

»Woanders ist überall, nur nicht hier!«